Unser Leitbild
Hauptziel der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft ist die Stärkung der Beteiligten. Sie sieht daher ihren Auftrag darin, das Engagement der Beteiligten zu unterstützen, zu koordinieren und weiterzuentwickeln. Außerdem versteht sich die AG als ein Organ der entwicklungspolitischen Interessenvertretung – zunächst innerhalb der Kirche, aber auch in der weiteren Gesellschaft.
Alle auf der Grundlage des christlichen Glaubens Engagierten sind in der gemeinsamen Hoffnung verbunden, dass durch den Einsatz für weltweit gerechte Lebensbedingungen das Evangelium konkret wird. Die AG steht darüber hinaus aber auch allen anderen Menschen guten Willens offen, die sich für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einsetzen.
1980 gegründet, hat die AG immer die jeweils aktuellen entwicklungspolitischen Themen aufgenommen und dazu Serviceangebote für Gruppen, Verbände und Institutionen entwickelt.
Was wir wollen
- Ansprechpartner und Kontaktstelle sein
- Hilfestellung, Anregungen, Impulse geben
- Informationen verbreiten
- Entwicklungspolitische Interessen vertreten
- Zusammenarbeit anregen
- Gemeinschaft schaffen und Mut machen
- Erlebnisse ermöglichen
Die Arbeitsgemeinschaft Eine-Welt-Gruppen wird gefördert durch Misereor sowie durch den ABP Westfalen (Ausschuss für entwicklungsbezogene Bildung und Publizistik vom oikos-Institut für Mission und Ökumene) und Brot für die Welt
Wie alles begann...
Entstehung und Konsolidierung der Arbeitsgemeinschaft
Alles beginnt in Duisburg-Homberg. Dort findet Anfang März 1980 ein Dritte-Welt-Festival statt. Motto: Meine Welt + Deine Welt = Unsere Welt. 300 Aktive aus 30 Gruppen kommen zusammen. Sie tauschen sich aus und beschreiben ihre Situation so:
In fast allen Kirchengemeinden gibt es Dritte-Welt-Gruppen. Diese nennen sich Sachausschuss Mission-Entwicklung-Frieden oder Aktion Dritte-Welt-Handel oder Initiative für Südafrika. Ihre Resonanz in den Gemeinden ist einfach überwältigend: Keiner stört sich an ihnen. Sie fallen nicht weiter auf. Zumindest der Pfarrer freut sich aber und sagt: „Schön, dass wir eine Gruppe haben, die diese verantwortungsvolle Aufgabe übernommen hat!“ Diejenigen, die sich für die Marginalisierten in Afrika, Asien und Lateinamerika einsetzen, erleben sich selbst als Marginalisierte: am Rand stehend, manchmal mutlos, ohne Kontakt mit Gleichgesinnten anderswo. (Denn: Das Wort „Vernetzung“ hatte man 1980 noch nicht erfunden.)
Wer waren diese Jugendarbeiter? Wenn von den „Vätern des Grundgesetzes“ gesprochen wird, sehen wir Carlo Schmidt oder Konrad Adenauer vor uns; doch auch die „Väter der Arbeitsgemeinschaft“ lassen sich benennen: Bruder Gereon, Hans-Peter Niedzwiedz, Werner Starke – und vor allem Werner Siemens, der fast sein halbes Leben mit der AG verbandelt ist.
Im Sommer 1980 gibt es dann die erste Sitzung der „Arbeitsgemeinschaft der Arbeitskreise 3. Welt“. Im Dezember 1980 findet das erste große Treffen mit 15 Arbeitskreisen aus dem gesamten Bistum statt. Diese Treffen werden später umbenannt in „Regionalkonferenzen“, danach in „Jahrestagungen“. Heute können wir das silberne Jubiläum feiern.
Die ökumenische Ausrichtung, die wir soeben auch im Gottesdienst erlebt haben, hat ihren Ausgangpunkt am 01.10.1982. Bernd Schütze übernimmt an diesem Tag das neu eingerichtete „Referat für den kirchlichen Entwicklungsdienst“ im Diakonischen Werk der evangelischen Kirche von Westfalen. Im März 1983 gibt es analog zu den katholischen Aktivitäten eine „Konferenz entwicklungspolitischer Gruppen im Bereich der evangelischen Kirche von Westfalen“, und zwar in Emsdetten.
Schon ein knappes Jahr später macht man gemeinsame Sache: Sitzungen, Wochenendseminare, Regionalkonferenzen
Fairer Handel
„Aktion Dritte Welt Handel“: Es beginnt mit Kaffee aus Guatemala, Jutetaschen aus Bangladesh und Tee aus Sri Lanka. Seit Jahren ist der Faire Handel eine der verlässlichsten und bedeutsamsten entwicklungspolitischen Aktionsformen. Handel und Handeln, politisches Agieren und privater Nutzen sind auf glückliche Weise miteinander verknüpft. Und alle haben was davon: die Kleinbauern, Handwerker, Kleingewerbetreibende in der Dritten Welt ebenso wie die Verbraucher hierzulande. Aber selbst von der besten Idee lassen sich meinungsfeste und informationsresistente Zeitgenossen so schnell nicht beeindrucken: „Dieser Kaffee schmeckt nicht!“ „Dieser Kaffee passt nicht in die Kaffeemaschinen von Großküchen!“ „Dieser Kaffee ist zu teuer!“….
Daher versucht das Bistum Münster im Diözesanforum von 1998, dem Fairen Handel in den eigenen Reihen einen größeren Rückhalt zu geben. Von den Delegierten mit überwältigender Mehrheit beschlossen und vom Bischof in Kraft gesetzt, heißt es dort: „Wir fordern alle kirchlichen Einrichtungen im Bistum Münster auf, zukünftig bevorzugt Produkte aus dem Fairen Handel anzubieten.“ Schulen in kirchlicher Trägerschaft, Krankenhäuser, Beratungsstellen, das Generalvikariat, die Familienbildungsstätten, die Bildungshäuser… Ja, viel wäre schon erreicht, wenn in diesen ungezählten Einrichtungen zukünftig bevorzugt Produkte aus dem Fairen Handel angeboten würden!
Auch in der Evangelischen Kirche wurde wiederholt von den Landeskirchen und der Synode gefordert, dass fair gehandelte Produkte Einzug in Schulen und Gemeinden halten sollten.
Die Arbeitsgemeinschaft Eine-Welt-Gruppen setzte sich früh für die Etablierung und Finanzierung eines personellen Beratungsangebotes ein. So genannte Gruppenberater und Gruppenberaterinnen informieren seit 1995 sachkundig und weiterführend über den Fairen Handel. Darüber hinaus bringen sie die Gruppen in ihrer Region zusammen. Dem Bistum Münster und der Evangelischen Kirche mit dem ABP sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt. Durch ihre verlässliche Förderung nun schon über viele Jahre haben sie die Arbeit der Gruppenberatung möglich gemacht.
Mittelamerika-Solidarität
Am 24.03.1980 wird in El Salvador Erzbischof Oskar Arnulfo Romero ermordet. Sein Tod zieht den Blick vieler Dritte-Welt-Engagierter auf Zentralamerika. Staaten, in denen Generäle Präsidenten spielen. Staaten, in denen wenige Familien in märchenhaftem Reichtum schwelgen, während andere mit bloßen Händen die Müllkippen nach Essbarem absuchen. Staaten, in denen sadistische Todesschwadrone Sandinisten, Kommunisten und Christen in Folterkeller bringen. Brutale Militärherrschaft statt Demokratie.
Die Zeit scheint reif zu sein für einen Umsturz und einen Neubeginn. Der Traum von einer gerechten Gesellschaft in Gestalt eines freien Sozialismus könnte wahr werden. Unsere besondere Aufmerksamkeit gilt Nicaragua mit seiner Lichtgestalt Ernesto Cardenal: Nicaragua-Komitees schießen aus dem Boden, Studenten und Studentinnen verstärken Arbeitsbrigaden in Nicaragua, so mancher verkorkst sich aus Solidarität mit Nica-Kaffee Marke „Sandino-Dröhnung“ den Magen…
Wenn wir in selbstkritisch sind, werden wir mit einigen Jahren Abstand zum Mittelamerika-Engagement auch sagen müssen:
- Wir hatten eine fast mythische Beziehung zu Mittelamerika. El Salvador, Honduras oder Nicaragua wurden zur Projektionsfläche hier versagter Träume.
- Wir haben das Volk als homogene Masse mystifiziert: „el pueblo unido jamás será vencido“ (Das vereinte Volk wird niemals besiegt werden)
- Wir haben großzügig über die Heterogenität der so genannten Befreiungsbewegungen hinweg gesehen.
Konziliarer Prozess
Armut, Overkill und Ökokrise.
Die Kirchen reagieren auf die diese dreifache weltweite Bedrohung im so genannten Konziliaren Prozess. Sie stellen der Armut, dem Overkill und der Ökokrise die Ziele Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung gegenüber. Denn: „Es darf um Gottes Willen nicht sein, dass wir tatenlos zusehen, wie die Welt zugrunde geht.“ Der Konziliare Prozess wird zum organisierten Versuch der Kirchen, auf die globalen Überlebensfragen zu antworten. Er eint Menschen aus verschiedenen Nationen, aus verschiedenen Generationen, aus verschiedenen Kirchen. Sie sind spirituell und werden politisch. Sie fragen: Was muss geschehen, damit Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung keine fromme Vision bleibt?
Die Evangelische Kirche von Westfalen und das Bistum Münster fallen im bundesweiten Vergleich durch ein besonders profiliertes Engagement auf.
Eindrucksvoll ist die Zahl und die Art der Veranstaltungen, Broschüren und Arbeitshilfen, Gottesdienste, Aktionen…
Auf offizieller Ebene finden große ökumenische Versammlungen statt, in denen kirchenhistorisch bedeutsame Konvergenzpapiere verabschiedet werden. Für die bundesdeutschen Kirchen ist die wichtigste Station das Forum 1988 in Stuttgart. Die europäischen Kirchen kommen ein Jahr später in Basel zusammen, es folgt ein weiteres Jahr danach die Weltversammlung in Seoul.
Und dann? Dann ist die Luft raus.
Nachdem alles beschrieben und verabredet worden ist, geht es nicht mehr weiter. War der Konziliare Prozess doch nur ein thematischer Schwerpunkt? Ein Thema, das man zwar mit Bravour bearbeitet hat, das man dann aber wie irgendein anderes Thema wieder fallen lässt? Und: Wird die allseits proklamierte Umkehr jetzt vertagt?
Zusammenbruch des Ostblocks und Neuorientierung der Eine-Welt-Bewegung
Das Jahr 1989 ist eine markante Zäsur. Die Mauer fällt – und mit ihr fällt auch die weltumspannende bipolare Machtstruktur in sich zusammen. Der Ost-West-Konflikt bestimmt nicht länger das Weltgeschehen, der Kalte Krieg ist beendet.
In den Dritte-Welt-Gruppen trauert kaum einer dem implodierten Staatskommunismus östlicher Prägung hinterher. Aber für viele von uns haben nach dem „Sieg“ des Kapitalismus andere Orientierungsmuster deutlich an visionärer Kraft verloren oder sind sogar gänzlich in der Versenkung verschwunden. Das gilt auch für verschiedene „Dritte Wege“, wie zum Beispiel in Tansania und Nicaragua..
Alte Weltbilder und Deutungsmuster verlieren ihre Bedeutung – neue Fragen rücken in den Vordergrund:
- Zielformulierungen wie „Nachhaltigkeit“ bzw. „Zukunftsfähigkeit“ sind die neuen Leitbegriffe. Sie stehen für ein verstärktes Zusammendenken von Umwelt und Entwicklung.
- Unser Engagement für die Armen der Welt ist nicht mehr so selbstlos, wie es angeblich früher gewesen sein soll. Man traut sich nun zu fragen: „Was lerne ich dabei für mich?“ „Was erlebe ich dabei?“ „Was habe ich davon?“
- Wir erkennen, dass politisch und ethisch richtige Motive allein nicht mehr ausreichen. Man muss einfach professioneller werden. Schaufenstergestaltung, Pressearbeit, Moderation von Veranstaltungen…
- Die Arbeitsgemeinschaft Eine-Welt-Gruppen greift dieses Anliegen auf und bietet – gemeinsam mit drei anderen Kooperationspartnern – eine Multiplikatorenschulung in mehreren Blöcken an. Sie wird ein voller Erfolg. Die Schulung läuft nun schon im siebten Jahr. Ein Dankeschön an dieser Stelle gilt Ministerin Bärbel Höhn, weil die Landesregierung von Anfang an dieses Projekt mitgefördert hat.
- Politische Ziele werden stärker als bisher in Form von Kampagnen gebündelt und öffentlichkeitswirksam verfolgt. Markante Beispiele sind die „Clean Cloth Campaign“, die Erlassjahrkampagne und „rugmark“.
Globalisierung
Jetzt sind wir im Zeitalter der Globalisierung angekommen. Was hat sich nicht alles verändert, und zwar für jeden von uns! Globalisierung ist also mehr als ein ökonomischer Trend, mehr als grenzenloser Globalkapitalismus. Nicht nur Waren, sondern auch Dienstleistungen, Kapital und Informationen überschreiten leichter als je zuvor alle Grenzen. Verschiedene Entwicklungen und Tendenzen durch schwer überschaubare Wechselbeziehungen miteinander verbunden. In einem Satz: Wir leben auf einem immer enger verflochtenen Planet.
Aus entwicklungspolitischer Perspektive stehen drei Probleme ganz oben auf der Tagesordnung:
- Die atemberaubenden Auslandsschulden der Dritte-Welt-Länder
Kleine Erfolge in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Soziales werden schnell durch den Schuldendienst wieder aufgefressen. - Der Einfluss der ökonomischen Supermacht WTO
Industriestaaten liberalisieren, deregulieren und privatisieren mittels GATS und TRIPS; am Ende ist wird nicht einmal mehr das Trinkwasser ein gemeinsames Gut sein. - Die epidemische Ausbreitung von Seuchen
AIDS rafft halbe Völker in Afrika dahin; für besiegt gehaltene Krankheiten wie Pocken, Malaria und Tuberkulose sind wieder auf dem Vormarsch
Für uns, die Eine-Welt-Bewegten, kann daraus nur folgen: sich neu orientieren, die Kritik an Ungerechtigkeit verstärken, gegen Irrwege der Globalisierung protestieren, uns mit den Verlierern der Globalisierung solidarisieren!