Jahrestagung 2018:
"Menschen haben Rechte - weltweit! Situation und Perspektiven"
Menschenrechte: kein Papiertiger
Christliche Eine-Welt-Gruppen trafen sich vom 12. – 14.01. zur ökumenischen Jahrestagung Entwicklungspolitik 2018, um ihr Engagement stärker als zuvor auf die Menschenrechte auszurichten. Die Tagung fand statt in der Evangelischen Akademie Villigst, Schwerte. Eingeladen hatte dazu die Arbeitsgemeinschaft Eine-Welt-Gruppen im Bistum Münster und in der Evangelischen Kirche von Westfalen. Wie schon in den Vorjahren waren 130 Aktive aus dem Münsterland, vom Niederrhein, aus dem Ruhrgebiet sowie aus Ostwestfalen und dem Sauerland der Einladung gefolgt – der Jüngste mit 17, die Älteste mit respektablen 81 Jahren. Da viele Engagierte keine Jahrestagung auslassen, war vom „Familientreffen“ die Rede. Aber darüber hinaus waren auch etliche Teilnehmer und Teilnehmerinnen zum ersten Mal dabei, vor allem angelockt durch das Tagungsthema „Menschen haben Rechte – weltweit!“
Im einführenden Vortrag gab der international bekannte Menschenrechtsexperte Prof. Dr. Heiner Bielefeldt einen Überblick über die Errungenschaften und Gefahren. Er warnte davor, einem häufig zu hörenden „Mantra“ zu folgen: „Standards haben wir genug – jetzt geht es um die Umsetzung.“ Zum einen könne aufgrund neuer Entwicklungen der Prozess einer Definition neuer Menschenrechte nie abgeschlossen sein. Zum anderen würden die Standards bröseln, wie die Beispiele Philippinen, Türkei und Trump-USA zeigten. Man wahre nicht einmal mehr die Fassade, die Zeit der Heuchelei sei vorbei. Ans Publikum gerichtet, mahnte der Referent daher, dass sich Menschenrechtsarbeit nicht darin erschöpfen dürfe, die Umsetzung anzumahnen. Alle Erfahrung in der Menschenrechtsarbeit zeige allerdings, dass man dabei „enttäuschungsresistent“ sein sollte. Dennoch, so Heiner Bielefeldt: „Es lohnt sich, solidarisch und emphatisch zu sein, auch wenn unmittelbar kein Erfolg sichtbar ist.“
Christoph Strässer, ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, baute auf dem von Heiner Bielefeldt gelegten Fundament auf, indem er seine langjährigen Erfahrungen in der deutschen Politik mitteilte. Sicherlich verbiete sich ein Vergleich mit Staaten wie Saudi-Arabien oder der Türkei, dennoch gebe es auch hierzulande Nachholbedarf. Mehr noch: „Mit welchem Recht ist die Bundesrepublik international unterwegs, um das Völkerrecht anzumahnen, wenn sie die eigenen Hausaufgaben noch nicht gemacht hat?“ Hinsichtlich der Kritik aus entwicklungspolitischer Perspektive am „Nationalen Aktionsplan“, um Menschenrechtsverletzungen deutscher Unternehmen im Ausland einzudämmen, bat Strässer um Differenzierung. Er räumte zwar eine Verwässerung durch verschiedene Ressorts ein, wies aber darauf hin, dass es viele Unternehmen gebe, die sich bemühten, die Standards einzuhalten.
Der Samstag gehörte verschiedenen Arbeitsgruppen. In der Philippinen-Gruppe etwa waren Interessierte zusammengekommen, die vom fachkompetenten Misereor-Referenten Elmar Noé die Hintergründe für die massiven Menschenrechtsverletzungen in der Präsidentschaft von Rodrigo Duterte erfahren wollten. Von Deutschland aus schwer verständlich, aber Realität sei die ungebrochene Unterstützung der Bevölkerung für den Präsidenten trotz 16.000 im „Kampf gegen Drogen“ Ermordeter, trotz wirtschaftlicher Misere und Stagnation des Friedensprozesses. Offensichtlich verfange immer noch der Nimbus des Populisten, der nicht aus einer der einflussreichen Familien stammt, die die Philippinen politisch und wirtschaftlich bisher dominiert haben. Die Haltung der Katholischen Kirche aber sei eindeutig: Nach Anfangssympathien verurteilt sie die extralegalen Tötungen.
Wie in jedem Jahr war auch dieses Mal der Gottesdienst, vorbereitet von einer Gruppe unter der Leitung von Michael Remke-Smeenk, eine Quelle des gemeinsamen Kraftschöpfens.
Der Kongolese Dr. Boniface Mabanza stellte zum Abschluss der Tagung in seinen ebenso leidenschaftlichen wie kritischen Ausführungen eine Verbindung zwischen den Globalen Nachhaltigkeitszielen und den Menschenrechten her. Bei allem Respekt vor dem „Referenzrahmen“ der Sustainable Development Goals (SDGs) müsse man doch festhalten, dass dort die Privatwirtschaft unkritisch gesehen wird. „Privatwirtschaft kann nicht Teil der Lösung sind – sie ist Teil des Problems“, so Boniface Mabanza. Nachhaltigkeit werde reduziert auf technischen Fortschritt, ohne Einbeziehung sozialer oder ökologischer Aspekte. Dennoch gelte: „Die vor uns liegende Aufgabe ist anspruchsvoll, aber machbar.“
Gestärkt mit neuen Informationen, aber auch mit Rückenwind für die weitere Arbeit in den Gemeinden, Eine-Welt-Gruppen oder Weltläden fuhren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Sonntagmittag zurück. „Für mich ist es wie jedes Mal wie ein Multivitaminsaft, der für ein ganzes Jahr reicht“, brachte es ein Engagierter aus Münster auf den Punkt.
Ulrich Jost-Blome
Materialien von der Jahrestagung 2018:
- Hier finden Sie einen Briefentwurf für Ihr Schreiben an die Verantwortlichen im Rahmen der aktuellen Koalitionsverhandlungen von Dr. Boniface Bambu als PDF, als Word-Datei
- Presseinformation "Brot für die Welt": Nachhaltige Entwicklung statt Waffen und Zäune - Kirchliche Entwicklungswerke zu den Koalitionsverhandlungen
- Workshop von Elmar Noé: Drogenmorde und Kriegsrecht: Ursachen und Folgen von Populismus, Autokratie-Streben und Missachtung der Menschenrechte am Beispiel der Philippinen
- Workshop von Marina Peter: Die Folgen der EU-Außen- und Flüchtlingspolitik für die Menschenrechte, z.B. im Sudan Religion und Gewalt – ein ambivalentes Verhältnis.
- Workshop von Angelica Garcia: Bilder im Kopf – Umgang mit Stereotypen in der Eine-Welt-Arbeit
Empfehlungen Bücher, Studien, Filme….
Filme:
- Why Poverty? Give us the Money / Geld für die Welt - Bob Geldof und Bono
Frankreich, Südafrika 2012, 58 min. (engl. OF)
http://fernsehworkshop.de/Archiv/2013/Filme/geldfuerdiewelt.htm
Bücher:
- Jakob / Schlindwein: Diktatoren als Türsteher Europas - Wie die EU ihre Grenzen nach Afrika verlagert, Links Verlag, 2017
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