Entwicklungspolitische Jahrestagung der AG Eine Welt Gruppen des Bistums Münster und der Ev. Kirche von Westfalen
12. - 14. Januar 2024 | Münster
Klima.Gerecht - von der Utopie zur Wirklichkeit
Wie kann der notwendige Systemwandel gelingen?
Vom 12.-14.1.24 fand unter dem Titel „Klima.Gerecht: Von Utopien zur Wirklichkeit - Wie kann der notwendige Systemwechsel gelingen?“ die Tagung der Eine Welt Gruppen statt. Ungefähr 100 Engagierte kamen in das Franz Hitze Haus nach Münster, um sich auszutauschen, wie Klimagerechtigkeit gelingen kann.
Prof. Henning Austmann von der Hochschule Hannover ging in seinem Vortrag „Global denken, lokal handeln“ der Frage nach, wie sich die globalen sozialen und insbesondere ökologischen Herausforderungen mit einem kulturellen Wandel aus der Mitte der Gesellschaft heraus bewältigen lassen würden. Dabei führt er zunächst in die existentiell bedrohlichen Auswirkungen unseres nicht-nachhaltigen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems ein. Als Lösungsansatz stellt er dann einen Vorschlag für einen echt-nachhaltigen Lebensstil zur Diskussion, forderte einen kulturellen Wandel ein und leitet im Anschluss zum diesbezüglichen Gestaltungspotential bürgerschaftlichen Engagements über. Als Beispiel stellte er die Arbeit in drei Dörfern in Niedersachsen dar. Um ihre Dörfer zukunftsfähiger zu gestalten, haben die Bewohner selbst Ideen entwickelt, die sie Stück für Stück umsetzen. Dazu gehören unter anderem eine Energie-Genossenschaft und eine solidarisch-regenerative Landwirtschaft. So werden zum Beispiel durch die Erhaltung alter Bausubstanz Rohstoffe gespart, mit der nachhaltigen, lokalen Produktion von Nahrungsmitteln entfallen lange Transportwege, die Artenvielfalt wird gefördert und die Versorgung mit regenerativen Energien macht die Dorfgemeinschaft unabhängiger von fossilen Rohstoffen.
Bruder Laurentius, Mitglied des Kapuzinerordens, stellte die franziskanische Spiritualität dar und wie diese seinen Umgang mit der Schöpfung prägt. Franz von Assisi provoziert sein und unser Denken. Wir benötigen einen Systemwandel, der vom Wachstum weg. So gibt es zahlreiche franziskanische Impulse z. B. „fruchtbarer Genügsamkeit“. Ungerechtigkeiten, Anhäufung von Geld und Besitz) bestanden bereits zur Zeit des Franz von Assisi (Ständegesellschaft). Franz von Assisi sucht nach Antworten wie diese Ungerechtigkeiten aufgelöst werden können. Er wendet sich den Menschen zu, die am Rande stehen (Aussätzige) und dies löst einen Perspektivenwechsel und Wandel aus. Ein Grundsatz ist es, die eigenen Bedürfnisse an den Bedürfnissen der anderen auszurichten. Es ist wichtig die Lebensformen wahrzunehmen, die das Leben fördern – wie z. B. das Leben in der klösterlichen Gemeinschaft. Es ist wichtig, dass die Religionen sich auf ein gemeinsames Menschenbild zu verständigen, um respektvoll und friedlich miteinander zu leben. Der Leitsatz von Bruder Laurentius im Umgang mit anderen ist es „Du bist mein Bruder.“ Bruder Laurentius ist davon überzeugt, dass wir einfach leben können. Zudem kommt es darauf an, aufeinander zuzugehen, Grenzen zu überwinden und Lebensraum zu teilen.
In dem Workshop „Religionen für Klimagerechtigkeit“ von Ulrich Nitschke stellte die Möglichkeit, Ambivalenz und Bedeutung von Religionsgemeinschaften für Klimagerechtigkeit dar. Die Bewegung „GreenFaith“ versucht weltweit durch interreligiöse Zusammenarbeit auch Klimapolitik zu verändern. Dabei geht es auch darum, Religionsgemeinschaften dazu zu bewegen, klimaschädliches Handeln nicht zu fördern, z. B. Bau der Rohöl-Pipeline in Ostafrika durch TOTAL (East African Crude Oil Pipeline, Ostafrikanische Rohöl-Pipeline, EACOP), ZEIT-Artikel. Es wurden auch ganz praktische Handlungsmöglichkeiten diskutiert. Eine Möglichkeit ist es, dass Kirchen und auch Privatpersonen das Geld aus fossilen Investitionen rausziehen. Religionsgemeinschaften und der ÖRK rufen dazu auf. Öffentliche Protestaktionen und Advocacyarbeit gegen Energiekonzerne (wie TOTAL, Black Rock) sind ein weiteres Instrument. Des Weiteren unterstützt GreenFaith Protestbewegungen wie Lützerath. Dort hat GreenFaith versucht, sich der Polizeigewalt deeskalierend entgegenzustellen.
Im Workshop von Dr. Brighton Katabaro, Missionsakademie Hamburg, wurde vertieft, wie Ernährungssicherheit mit nachhaltiger Landwirtschaft ermöglicht werden kann. Die Ausgangssituation ist, dass es Menschen auf der Welt gibt, die hungern und Menschen, die im Überfluss leben. Dabei sind die Länder in Afrika am stärksten von Hunger betroffen, z. B. Burundi, DR Kongo, Südsudan, Somalia. Konflikte und Kriege sind dabei eine Hauptursache, neben Folgen des Klimawandels, ungerechte Verteilung von Ressourcen u.a. Es wurden Handlungsmöglichkeiten diskutiert. Neben der Unterstützung der Arbeit von Brot für die Welt und misereor sowie Initiativen wie „Wir haben es satt“ kann ein veränderter Konsum (bio-faire Produkte), Beteiligung an SoLaWis sowie besonders Bildungsarbeit und politische Arbeit etwas verändern. Die EU-Agrarpolitik, z. B. Subventionen, kann bei der EU-Wahl im Juni 2024 thematisiert werden. So können Kandidat*innen für das MdEP bzgl. der Agrarpolitik entsprechend befragt werden. Eine andere Möglichkeit ist es, mit Leserbriefen Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Zudem können konkreten Projekte, z. B. in der Partnerschaftsarbeit, zur Verbesserung der Ernährungssituation gefördert werden.
In einer anderen Gruppe wurde der Garten des Kapuzinerklosters in Münster besucht. Klimagerechtigkeit und Dekolonialisierung war ein weiteres Vertiefungsthema und es wurde festgestellt, dass beides zusammen betrachtet werden muss. Gemeinschaftlich leben ist dafür ein Schlüssel.
Bei der Podiumsdiskussion am Sonntag wurde diskutiert, wie Klimawandel gerecht bekämpft werden kann. Kathrin Henneberger, MdB für Bündnis 90/Die Grünen, und Madeleine Wörner, misereor. Kathrin Henneberger stellt den Widerstand dar, der in Ostafrika von Aktivist*innen gegen die geplante Ostafrikanische Rohöl-Pipeline (East African Crude Oil Pipeline, EACOP) geleistet wird. Fossile Energiegewinnung wird auch in Marokko vorangetrieben. Dort sucht Shell nach Ölfeldern in küstennahen Gebieten. Dies verursacht Konflikte mit den Menschen, die von Fischerei abhängig sind. Madeleine Wörner führt aus, dass Länder in Afrika besonders als Rohstoffquelle gesehen werden. Es steht die Entscheidung an, ob in diesen Ländern fossile Energien oder erneuerbare Energien ausgebaut werden sollen. Kenia hat sich für erneuerbare Energien entschieden. In Kenia soll die Kapazität für erneuerbare Energien verzwanzigfacht werden. Andere Länder wie Nigeria, Senegal, Uganda, Südafrika stärken gerade die fossilen Energien. Auch in Deutschland findet derzeit eine Auseinandersetzung um den Weg statt – erneuerbar oder fossil. Dabei kommt es auf politisches Handeln an, aber auch auf das Engagement von Weltläden und Eine Welt-Gruppen, um mit Bildungsarbeit und auch politischer Arbeit den notwendigen Wandel umzusetzen.
Eine Teilnehmerin berichtet, dass sie motiviert und ermutigt nach Hause fährt, weil sie auf der Tagung konkrete Idee erhalten hat, was sie selbst auch ohne finanzielle Mitte tun kann. Zudem waren vielen Teilnehmende in ihrer Arbeit bestärkt, auch durch das Erleben der Gemeinschaft und der Gewissheit, dass sie mit ihrer Arbeit nicht allein sind.
Materialien zur Tagung
Vortrag von Prof. Austmann „Global denken, lokal handeln“: Der Vortrag von Prof. Austmann „Global denken, lokal handeln“ kann hier nachgesehen und nachgehört werden. Link zu einem Youtube-Video, bei dem Prof Austmann den inhaltlich gleichen Vortrag hält: Zum Vortrag
Theaterstück von Peter Trabner "The circle of nature": Zur Website
Gottesdienst: Zum Download
Samstag - Arbeitsgruppen
Lebensräume miteinander teilen und diese Welt als Geschenk erfahren:
- Kapuzinerkloster- und -garten in Münster: Zur Website
Religionen: Ihr Beitrag für eine klimagerechte und friedliche Welt:
- Vortrag von Ulrich Nitschke: Zum Download
- Zur Webseite von GreenFaith - Beispiel einer Aktion bei Black Rock
- Der Ahr-Psalm von Priester Stephan Wahl, geschrieben aus Anlass der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal: Zum Psalm
Diskutierte Aktionsmöglichkeiten:
Unterstützung von Divestment = Abzug des Geldes aus fossilen Energien
- Informationen: facing-finance.de; www.faire-fonds.info
- Kampagne von Religionsgemeinschaften, auch unter Beteiligung des ÖRK: faithinvest.org
- Bündnis zum „Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty“, „Vertrag über die Nichtverbreitung fossiler Brennstoffe“: Offener Brief Fossil Fuel Non-Proliferation Treaty (pax-bank.de)
- Klimaverträgliche Finanzen – ein moralisches Gebot gegenüber Kindern Informationen und Materialien sowie ein Brief mit Infos
- Unterstützung der Aktionen der Laudato Si Movement
- Unterstützung der Bewegung „Stop Ecocide“
Klimagerechtigkeit in der (Kirchen-)Gemeinde umsetzen:
Büchertipps
- Richters, Oliver: Marktwirtschaft reparieren: Link zur Webseite
- Franziskanische Akzente, z. B. „Es reicht – Auf dem Weg zu einer Kultur des Teilens“, Echter-Verlag: Link zu den Büchern
- Saito, Kohei: Systemsturz – Der Sieg der Natur über den Kapitalismus: Link zum Buch
Materialien und Ausstellungen
- Klimafasten, 14.2.-30.3.24: www.klimafasten.de
- Ausstellung „Blätter-Bäume-Bibel“: Informationen und Ausleihe
- FairPlay:FairLife: Aktionsideen zur Fußball-EM und Fairen Handel: Zur Aktion
- Jugendbildungsprojekte Exit Fast Fashion – mit Online-Escape Game: Zum Projekt