Jahrestagung 2022, 14. - 15. Januar 2022 | digital:
Die Jahrestagung 2022 stand unter dem Titel“ Die Pandemie als Zäsur - Gelingt der Wandel zu einer gerechteren Welt?“
Zunächst: eine Zäsur war diese 40. Jahrestagung auch für uns - fand sie doch erstmalig nicht in Präsenz, sondern in digitaler Form statt. Per Zoom trafen sich mehr als 60 Eine Welt Engagierte, um Fragen zur weltweiten Gerechtigkeit vor dem Hintergrund der Coronapandemie zu diskutieren.
Den Auftakt machte Herr Jens Martens vom Global Policy Forum - mit einem Überblick über die vielen negativen Auswirkungen der Coronapandemie und Entwicklungen. Er führte den Teilnehmenden vor Augen, dass es aufgrund der Pandemie und den wirtschaftlichen Konsequenzen mehr Menschen gibt, die in Armut leben müssen, die Verschuldung gewachsen ist, Kinder einen massiven Bildungsrückstand haben, der Gesundheits- und Bildungsbereich nicht gestärkt, sondern geschwächt wurde. Viele Errungenschaften und Fortschritte der letzten Jahre gingen verloren und die Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDG) sind gefährdet. Aber er machte auch Mut, an den Themen weiterzuarbeiten, an denen die Eine Welt Gruppen schon seit vielen Jahren arbeiten, wie kommunale Nachhaltigkeit, Fairer Handel, Gemeinwohlökonomie. Dabei komme nach Martens jetzt besonders darauf an, sich dafür einzusetzen, dass die Gelder der vielen Konjunkturprogramme im Sinne einer sozial-ökologischen Transformation verwendet werden.
Wie wichtig ein Umsteuern und die Infragestellung unseres Wirtschaftssystems ist, zeigte der abendliche Film „Oil promises“. Vor der Küste Ghanas wurde 2007 eine der größten Ölquellen Afrikas gefunden. Von dem Moment der ersten Erdöl Förderung 2010 begleitet das Kamerateam die Menschen vor Ort. Sie hoffen auf den lang ersehnten wirtschaftlichen Aufschwung und Wohlstand: Jobs, geteerte Straßen, Strom- und Wasserversorgung. Es werden ehrgeizige Pläne gemacht: Eine Raffinerie soll entstehen, eine Gasverarbeitungsanlage, ein Luxushotel. Und die Menschen beginnen zu träumen – von einem besseren Leben. Der Film, der über 10 Jahre entstanden ist, beobachtet die Entwicklungen in drei Küstendörfern, in denen die Menschen bislang von Fischfang oder Ackerbau lebten. Was passiert, wenn die „große Welt“ hier plötzlich auftaucht? Wird sich das Öl als Chance erweisen, für die bislang unterprivilegierte Region oder als Fluch wie in Nigeria? Der Film zeigt anhand einzelner Menschen die Folgen auf und erzählt deren Geschichte. Elke Sasse, die Regisseurin, diskutierte nach dem Film mit den Teilnehmenden den Film und ihre Eindrücke von der Situation. Der Film wird besonders in Afrika sehr intensiv wahrgenommen und diskutiert. Die Klickzahlen für die englische Version liegen bei youtube bei 4,5 Mio. intensive Diskussionen entspannen sich dort.
Am zweiten Tagungstag verdeutlichte Herr Pfr. Ernsting von der Gastkirche Recklinghausen in seinem Impuls, wie Solidarität und Miteinander gelebt werden können – und dass es darauf ankommt, konkret anzupacken, um sozialen Missverhältnissen etwas entgegenzusetzen. Mit Rose Ausländer erinnerte er daran, dass die Menschheit einer „globalen Familie“ gleich und wir gemeinsam unterwegs bleiben müssen.
In den an den spirituellen Impuls anschließenden Arbeitsgruppen wurden dann verschiedene Aspekte vertieft, z. B. Gemeinwohlökonomie, Verschuldung der Entwicklungsländer, Impfgerechtigkeit, die Rolle Chinas z. B. in Ländern Afrika, der Orangen-Aktion, dem Jugendprojekt „Exit Fast Fashion“, der Tourismus – seine positiven und negativen Auswirkungen in Ländern des Globalen Südens.
In der abschließenden Diskussion hat Dr. Pedro Morazan (Eine Welt Netz NRW, ehem. SÜDWIND-Institut) auf die wichtige Rolle der Zivilgesellschaft hingewiesen. Ausgehend von seinen tiefen Kenntnissen über die Situation in Lateinamerika, aber auch in Afrika, ist es für ihn eine Hauptaufgabe von Zivilgesellschaft, den Staat zu kontrollieren, damit er nicht zum Leviathan wird. Dabei komme es vor allem auf die Zivilgesellschaft an, dass sie sich aktiv einsetzt für einen starken Rechtsstaat mit einer partizipativen Demokratie, um so einen despotischen Staat zu verhindern. Wie schwierig dies angesichts ungleicher Machtverhältnisse, Gewalt und Diktatur ist, beschrieb Herr Morazan am Beispiel von Honduras und Nicaragua. Wir können hier in Deutschland solidarisch sein und unterstützend für die Zivilgesellschaft wirken.
Trotz des digitalen Formates kam ein Tagungsgefühl auf. Kleine und größere Austauschrunden nach den Podien, dem Film, in den Workshops, im Pausenraum (wonder.me) ermöglichten eine produktive, virtuelle Nähe und Austausch.
Wir danken allen die sich in der Vorbereitung und Gestaltung der Tagung eingebracht haben. Ganz besonders möchten wir auch nochmal dem langjährigen Leiter der Fachstelle Weltkirche, Ulrich Jost-Blome danken, der auf dieser Jahrestagung verabschiedet wurde und der mit seinem großen Einsatz das Profil der Tagung über viele Jahre mitgeprägt hat. Seine eigene Dankbarkeit für viele inspirierende Jahrestagungen hat er auch in einem Beitrag in der Radiosendung „Himmel und Erde“ zum Ausdruck gebracht. Es lohnt sich reinzuhören!
Im nächsten Jahr hoffen wir darauf, dass die Jahrestagung wieder in Präsenz stattfinden kann und laden schon jetzt alle ein, sich den 13.-15.01.2023 im Haus Villigst vorzumerken.
Materialien von der Jahrestagung 2022:
- Vortrag von Jens Martens, Global Policy Forum, Bonn: Die Welt im Krisenmodus. Konsequenzen für den globalen Süden -> Link zu Youtube
- Vortrag von Pfr. Ludger Ernsting, Gastkirche Recklinghausen: Die Menschheit als “globale Familie”. Altruismus und Egosimus in der Eine-Welt-Arbeit -> Link zu Youtube -> Link zum PDF
- Film "Oil Promises": Alle Infos und Links zum Film hier im PDF
- Workshop 5: Solidarität konkret leben: Wie können wir aktiv werden? z. B. mit der Orangen-Aktion -> alle Infos zur Orangen-Aktion hier
- Workshop 7: Ein anderer Tourismus ist nötig und möglich! -> Link zum PDF
Im Workshop wurden folgende Materialien genannt:
Bildungsmaterial Tourismus: www.tourism-watch.de/bildung
One Planet Guide: https://www.brot-fuer-die-welt.de/fair-reisen/
Newsletter: www.tourism-watch.de/abo