Jahrestagung 2015:
Auftanken für das Rackern an der Basis
160 Teilnehmer und Teilnehmerinnen kamen vom 09. - 11.01.2015 zur ökumenisch ausgerichteten Jahrestagung Entwicklungspolitik in die Akademie Franz Hitze Haus nach Münster. Allein schon die Tatsache, dass Jahr für Jahr so viele Aktive zu einer Tagung zusammenkommen, ist für eine entwicklungspolitische Veranstaltung durchaus bemerkenswert. Ungewöhnlich ebenfalls, dort nicht nur Erwachsene anzutreffen, sondern auch viele Kinder und Jugendliche.
Unter der schlagwortartigen Forderung "Mehr Gerechtigkeit!" bot die Tagung Vorträge und Workshops, in denen das überwölbende Herausforderung diskutiert werden konnte: "Den notwendige Epochenwandel gestalten."
Dr. Klaus Seitz von Brot für die Welt wies in seinem Einführungsvortrag am Freitagabend auf wichtige und notwendige Weichenstellungen im laufenden Jahr hin, zu denen die UN-Generalversammlung mit ihrer Post-2015-Agenda ebenso gehöre wie die Klimakonferenz Anfang Dezember in Paris. Trotz gewisser Erfolge, wie die Halbierung des Anteils der extrem Armen, seien viele Entwicklungsversprechungen bisher noch nicht erfüllt worden. Dabei stehe die Welt vor wachsenden Herausforderungen etwa angesichts des Klimawandels, des Unfriedens und der sich verschärfenden Ungleichheit. Kirchen könnten Pioniere des Wandels sein. Aus der Option für die Armen ergebe sich, dass es unchristlich sei, die Armen, insbesondere auch die Migranten, außen vor zu lassen. Zur Ermutigung verwies er auf Ergebnisse der Transformationsforschung, nach denen Veränderung historisch stets in Nischen begonnen haben. Seitz: „Diese Erfahrungen sollte uns alle ermuntern, vor Ort aktiv zu bleiben. Wichtig ist aber darüber hinaus die politische Lobbyarbeit.“
Der Samstag in der Tagung gehörte wie auch schon in den Vorjahren den Workshops. Dort wurden Einzelaspekte der von Klaus Seitz tags zuvor vorgenommenen Situationsbeschreibung ausführlich vorgestellt und diskutiert.
Einen dieser Workshops leitete Kathrin Schroeder von Misereor, die über den Klimawandel informierte. Sie stellte nicht nur die Ursachen und Folgen dar, sondern nannte auch die dringend notwendigen politischen Maßnahmen zur Bekämpfung der Erderwärmung. Dabei wurden die Teilnehmer und Teilnehmerinnen aber nicht aus der eigenen Verantwortung entlassen: Sie sollten Vorschläge unterbreiten, wie Individuen durch einen solidarischen Lebensstil ihren Beitrag leisten können. Im Ergebnis waren sich alle im Workshop einig, dass Klimaschutz auf jeder Ebene erfolgen muss – internationale Rahmenabkommen, regionale und lokale Klima-Clubs, Zivilgesellschaft. Um Lobbyarbeit ging es in einem anderen Workshop, den Heinz Fuchs von Brot für die Welt gestaltete. Ihm war es wichtig, dass das Gewicht der Kirchen in der Entwicklungspolitik erhöht wird. „Wenn wir Gehör finden wollen, dann müssen Einzelstimmen gebündelt werden, dann müssen evangelische und katholische Kirche mit einer Stimme sprechen“, so Fuchs. Brot für die Welt und Misereor setzten in ihrer Einflussnahme weniger auf Konfrontation, sondern mehr auf Dialog, unterstützt von gesellschaftlichem Druck. Aber um ernst genommen zu werden, müsse man auf jeden Fall über fachlich abgesicherte und belastbare Positionen verfügen.
Unvergesslich wird wohl für die meisten Teilnehmer und Teilnehmerinnen das sich am Abend anschließenden Konzert von Isabel Lipthay und Martin Firgau gewesen sein. Als „Duo Contraviento“ beseelten sie das Publikum auf gleichermaßen poetische wie politische Weise mit ihren Liedern, Texten und Bildern.
Gottesdienste in Wochenendveranstaltungen mögen dem einen oder der anderen schon mal wie ein obligatorisches „Beiprogramm“ vorkommen – nicht so auf der Jahrestagung. Wieder einmal gelang es Michael Remke-Smeenk mit einer spontan gebildeten Vorbereitungsgruppe aus der Tagung heraus eine alle Sinne berührende Andacht zu gestalten. „Ganz besonders berührt hat mich der Gottesdienst“, schwärmte eine Teilnehmerin auf die gesamte Tagung rückblickend.
Die Organisatoren versuchen in jedem Jahr für den Abschluss am Sonntagmorgen einen besonderen Redner zu gewinnen, dieses Mal war es Dr. Bernhard Felmberg aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Er unterstützte ausdrücklich die Forderung nach einem Epochenwandel: „Wir brauchen einen Paradigmenwechsel im Denken und im Handeln, und zwar weltweit.“ Als eine der größten Herausforderungen kategorisierte er dabei die Migration. Zum Verhältnis von Eine-Welt-Gruppen und Ministerium, und damit von Zivilgesellschaft und Politik, stellte er fest: „Die Zivilgesellschaft kann den Staat ergänzen, aber nicht ersetzen. Beide sind aufeinander angewiesen.“
Am Ende der Tagung konnte wohl jeder und jede Eine-Welt-Aktive mit einem Koffer voller Anregungen zurückfahren in die örtliche Arbeitsgruppe – ins Sauerland zum Beispiel, nach Ostwestfalen-Lippe oder ins Ruhrgebiet. Katja Breyer aus der Vorbereitungsgruppe bilanzierte daher zufrieden: „Es muss darum gehen, Veränderungen zu realisieren. An diesem Wochenende wurde erfahrbar, wie gesellschaftliche Gruppen dazu beitragen können.“ Oder wie es eine Teilnehmerin aus Minden schlicht ausdrückte: „Hier konnte ich für mein Engagement mal richtig auftanken.“
Ulrich Jost-Blome
Vortragsmaterialien von der Jahrestagung 2015: