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Entwicklungspolitische Jahrestagung der AG Eine Welt Gruppen des Bistums Münster und der Ev. Kirche von Westfalen
Macht und Ressourcen umfairteilen. Willkommen in einer gerechteren Welt!
Bericht zur Jahrestagung Entwicklungspolitik vom 24.-26. Januar an der Evangelischen Akademie Villigst, Schwerte
Die ganze Welt befindet sich im Krisenmodus? Trump, Weidel, Merz verbreiten Unsicherheit und schlechte Stimmung? Nicht mit uns. Eine kleine, 70-köpfige revolutionäre Zelle widmete sich am letzten Januarwochenende im Haus Villigst produktiv der Zukunft: Macht und Ressourcen umverteilen. So einfach geht das.
Zum Einstieg formulierte Markus Wissen aus wissenschaftlicher Perspektive die imperiale Lebensweise unseres Alltags. Wir befinden uns hier in einem Zwangsverhältnis, in das wir hineinsozialisiert wurden. Häufig haben wir aufgrund der vorhandenen Strukturen keine andere Wahl, als auf Kosten anderer zu leben. Die vom Berliner Professor für Gesellschaftswissenschaften formulierte Analyse des Kapitalismus besagt, dass dieser per se immer expandieren muss und daher imperialistischen Charakter hat. Das tägliche Wachstumsmantra ist uns allen sehr präsent. Zugleich wissen wir, dass wir an die planetaren Grenzen kommen, die Externalisierung hat ihr Limit erreicht und die globale Krise ist jetzt auch den Norden. Unübersehbar angekommen. Die bisherigen politischen Lösungsansätze zur Bekämpfung der Krise machen wenig Hoffnung: Wissen, der seine entwicklungspolitischen Wurzeln im Bonner Weltladen hat, sieht hier beispielsweise den Green New Deal der EU als Fortführung des imperialistischen Denkens. Manifest wird dieses, wenn wir zugleich die gegenwärtige Flüchtlingspolitik Europas betrachten, die auf restriktive Abweisung und Mauern rund um Europa setzt.
War´s das jetzt? Welche Ideen haben wir, um aus dem Dilemma des imperialen Lebens auszubrechen?
Die Engagierten aus Weltläden und Kirchengemeinden konnten sich im Anschluss an Wissens Vortrag zu Verteilungsfragen positionieren. Im allseits beliebten Kennenlernspiel hatten die TeilnehmerInnen die Wahl zwischen Jeff Bezos (CEO von Amazon) und Erika Mustermann (Covergirl auf dem deutschen Personalausweis). Sind die Reichsten der Reichen nun gefragt, endlich ihren Reichtum angemessen der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen, oder muss jeder einzelne Mensch dieser Erde sein Verhalten grundsätzlich infrage stellen und auf Klimafreundlichkeit und Gerechtigkeit hin ausrichten. Unsere freundlichen TagungsteilnehmerInnen haben sich überwiegend mittig positioniert und ihre Meinung im vertrauten anschließenden Zweiergespräch vertreten.
Samstags wird auf unserer Jahrestagung vornehmlich gearbeitet. Sieben verschiedene Arbeitsgruppen bieten hierzu zahlreich Gelegenheit. Der theologische Impuls im Plenum wurde zunächst von Cordula Ackermann (KAB) gesetzt. Sie erinnerte an den biblischen Schöpfungsbericht, der im babylonischen Exil eine machtvolle Erzählung angesichts der von den Verfassern erlebten Machtlosigkeit ist und schlug einen Bogen zum Propheten Jesaja der „eure Brandopfer“ nicht mehr riechen kann und fordert „lernt, Gutes zu tun! Sucht das Recht! Schreitet ein gegen Unterdrücker!“ Klarer theologischer Impuls zur Weiterarbeit in den Workshops, die sich mit der imperialen Lebensweise, dem Erlassjahr, der Forderung „taxt the rich“, ethischer Geldanlage, dem Fairen Handel, dem Erkennen von rechtem Denken und dem bewussten Umgang mit geretteten Lebensmitteln auseinandersetzten. Das Playback Theater Feuerfunken hat die Erlebnisse der Teilnehmerinnen abends fulminant auf die Bühne gebracht und so den Tag nachdenklich und humorvoll reflektiert.
Auch der sonntägliche Gottesdienst hat zur Reflexion, zum Gebet, zum Nachdenken und gemeinsamen Feiern eingeladen. Die Gottesdienstbesucher fühlten sich gleich jugendlich verjüngt, als sie gemeinsam aus vielen einzelnen Fäden ein verbindendes Netz geknüpft und Peter Janssens Schlager „Friedensnetz“ gesungen haben. Kraft für die anschließende Podiumsdiskussion, in der Boniface Mabanza, seit 2006 immer wieder Gast auf unserer Jahrestagung und Ute Koczy von Urgewald aufeinandertrafen. Moderiert von Ailed Villalba Aquino stellten die beiden sich der Frage: „wie kommen wir zu einer fairen Umverteilung von Macht und Ressourcen?“
Mabanza ging in einem ersten Statement nicht in die erwartete Verteilungsoffensive sondern stellte die Frage nach dem „wir“. Wer ist das wir, dass eine Umverteilung überhaupt will? Das monolithische wir, das teilen will, stellt Mabanza zumindest infrage.
Entwicklungspolitische Ansätze wie der Faire Handel konnten bestehende Welthandelsstrukturen nicht aufbrechen, die Kolonialitäten des Handels konnten nicht überwunden werden. Vielmehr wird der Süden weiterhin, auch im Fairen Handel, als Rohstofflieferant wahrgenommen. Mabanza führt als Beispiel unserer Widersprüchlichkeiten die südafrikanische Geschichte einiger Bergarbeiter an, die beim Abbau von Platin 2012 verunglückten und starben. Platin wird zur Herstellung von Katalysatoren gebraucht. Katalysatoren führen zu besserer Luft in Deutschland. Die Extraktion von Metallen etc. führt aber zu gewaltigen Umweltschäden beispielsweise in Südafrika. Oder die Entschuldungskampagnen: entschuldete Länder sind relativ schnell wieder verschuldet, weil die strukturellen Ursachen der Verschuldung nicht geändert werden. Ärmere Länder müssen auf den internationalen Finanzmärkten z.B. wesentlich mehr für die Kreditaufnahme zahlen als reiche Länder.
Mabanza fordert von uns Mut und Konfliktbereitschaft, wenn wir wirklich Veränderung wollen. Viele warten nur noch darauf, bis das Kind in den Brunnen gefallen ist. Jetzt müssen wir Widerstand gegen ungerechte und koloniale Strikturen leisten.
Ute Koczy erläuterte anschließend das Engagement der NGO Urgewald aus Sassenberg, die sich mit den internationalen Finanzströmen beschäftigt. Als wesentlich sieht sie die Notwendigkeit an, komplett aus der Finanzierung von fossilen Energieträgern auszusteigen. Urgewald veröffentlicht Datenpools mit Finanzierern von Fossilen. Denn trotz weltweiter Versprechungen z.B. der Weltbank, aus der Finanzierung von Kohle, Gas und Öl auszusteigen, wird de facto immer weiter in diesem Sektor investiert.
Neben Koczy und Mabanza traten auch Teilnehmerinnen der Tagung aufs Podium, um mitzudiskutieren oder Fragen einzubringen. Interessant auch die aktuelle Einschätzung Boniface Mabanzas zur Präsidentschaft von Donald Trump. Mabanza verglich Hillary Clinton und Donald Trump mit zwei Krankheiten: Trump setzte er mit der Ebola gleich, die er mit einem schnellen Sterben oder auch schnellem Genesen beschrieb und Clinton mit Aids, das für ein langsames Sterben und keine Möglichkeit der Heilung stehe. Beide Politikmodelle scheinen kein zukunftsfähiges Konzept zu vertreten. Was gibt uns Hoffnung?
Wir laden ein zur nächsten Jahrestagung vom 9.-11. Januar 2026 nach Münster.
Materialien zur Tagung
- Kapitalismus am Limit. Umkämpfte Krisenpolitik und solidarische Perspektiven | Prof. Dr. Markus Wissen, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin | Aufsatz „Kapitalismus am Limit“ zum Download
- (Öko)feministische und theologische Impulse zur „Umfairteilung“ | Cordula Ackermann, Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB), Diözesanverband Münster | Skript zum Download
- AG 1: Imperiale Lebensweise und sozial-ökologische Transformation | Prof. Dr. Markus Wissen, Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin | Aufsatz „Kapitalismus am Limit“ zum Download
- AG 2: Entschuldung muss weitergehen! | Eva Hengstermann, erlassjahr.de, Düsseldorf | Präsentation zum Download
- AG 3: Tax the rich! Können wir uns Superreichtum sozial und ökologisch noch leisten? | Martin Gück, Kairos Europa, Heidelberg | Präsentation zum Download
- AG 4: Fair Trade – Change Maker oder Feigenblatt? | Serge Palasie, Eine Welt Netz NRW, Münster | Präsentation zum Download
- AG 5: Mit Geld die Welt fair-ändern?! | Ulrike Lohr, SÜDWIND-Institut für Ökonomie und Ökumene, Bonn | Präsentation zum Download
- AG 6: Rechtes Denken erkennen und angemessen entgegnen | Michael Moser, Evangelische Akademie Villigst im Institut für Kirche und Gesellschaft, Schwerte |Präsentation zum Download
Weitere Tipps und Materialien der Teilnehmenden:
- Kampagne für Saubere Kleidung: Infoblatt | Flyer | Spendenkarte