Jahrestagung 2017:
„Friede und Gewaltlosigkeit in der DNA unseres Glaubens“
Christliche Eine-Welt-Aktive diskutieren Perspektiven der Friedensarbeit auf der Jahrestagung Entwicklungspolitik
Wie Eine-Welt-Gruppen durch ihre Arbeit zum Frieden in der Welt beitragen können, darum ging es vom 13. – 15.01. auf der ökumenischen Jahrestagung Entwicklungspolitik 2017. Sie fand in der Akademie des Bistums Münster, dem Franz Hitze Haus, in Münster statt. Eingeladen hatte dazu die Arbeitsgemeinschaft Eine-Welt-Gruppen im Bistum Münster und in der Evangelischen Kirche von Westfalen. 130 Aktive vom Niederrhein, aus dem Münsterland, aus dem Ruhrgebiet sowie aus Ostwestfalen und dem Sauerland waren dabei.
Im einführenden Vortrag erläuterte Dr. Wolfgang Heinrich das Konzept „Responsibility to Protect", das sich die Vereinten Nationen 2005 zueigengemacht haben. Das Eingreifen von Militär darf nach diesem Konzept nur die ultima ratio sind; die Schwelle zum Einsatz ist mit Voraussetzungen wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord oder ethnischen Säuberungen hoch. Bisher habe sich allerdings die Hoffnung nicht erfüllt, dass die Staatengemeinschaft interveniert, wenn eine Regierung gegen das eigene Volk vorgeht. Daraus folgert Wolfgang Heinrich: „Ich bin der Ansicht, dass es der Weltgemeinschaft aufgegeben ist, Gewalt frühzeitig im Entstehungsprozess wahrzunehmen und darauf zu reagieren.“ Die Hoffnung auf eine Friedensperspektive verknüpfte der Referent mit der Agenda 2030 und den globalen Nachhaltigkeitszielen, den Sustainable Development Goals (SDGs). Dabei sei für die deutsche Bundesregierung wichtig die Abkehr von einer Politik der Abschottung, Abwehr und Abgrenzung hin zu einer Politik der kohärenten Entwicklungs- und Nachhaltigkeit.
Weihbischof Dr. Stefan Zekorn zeigte sich in seinem Vortrag zu den Grundlagen von „Friede und Gewalt“ überzeugt: „Der Friede ist eine immer wieder neu zu erfüllende Aufgabe.“ Es gehe also gar nicht darum, ob Christen überhaupt aktiv würden, sondern, wie. Denn: „Friede und Gewaltlosigkeit sind regelrecht in die DNA unseres Glaubens eingestiftet“, so der Weihbischof, im Bistum Münster zugleich Bischöflicher Beauftragter Weltkirche.
Traditionsgemäß gehörte der Samstag verschiedenen Arbeitsgruppen. Aus naheliegenden aktuellen Gründen fand vor allem der Workshop zur Situation und zu den Perspektiven im Syrienkonflikt den größten Zulauf. „Ein sehr guter Überblick“, meinte anschließend eine Teilnehmerin, „und zugleich eine stark berührende Erschütterung“.
Prof. Dr. Heinz-Günter Stobbe ging in einer anderen Arbeitsgruppe der Frage nach, warum Religionen Konflikte ebenso anheizen wie entschärfen können, warum sie mal als Brandbeschleuniger, mal als Brandlöscher wahrgenommen werden. Stobbe: „Alle Religionen haben ihre Unschuld verloren – das ist eine unbestreitbare Tatsache.“ Vom Islam müsse man erwarten dürfen, dass endlich auch der Koran mit der historisch-kritischen Methode analysiert werde.
Am Abend präsentierten „Die Untertanen“ ihr neues Programm. Unter dem Titel „Wohin?“ verknüpfte der Chor das aktuelle Flucht-Thema mit Flucht in historischer Perspektive, wie das Fliehen aus einem Konzentrationslager („Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers) und sogar Fluchterfahrungen in den Familien von Chormitgliedern. Unter der Leitung von Rüdiger Schrade-Tönnißen entfaltete der Chor ein internationales Programm und erreichte vom ersten Lied an die Herzen der Zuhörer und Zuhörerinnen, die doch ihrerseits über viele Erfahrungen der Flucht und der Begleitung von Flüchtlingen verfügten. Kein Wunder, dass der Chor erst nach vier lebhaft erklatschten Zugaben von der Bühne gelassen wurden.
Wie jedes Jahr war auch dieses Mal der von den Teilnehmern und Teilnehmern unter der Leitung von Michael Remke-Smeenk selbst vorbereitete Gottesdienst ohne Frage der spirituelle Höhepunkt der Veranstaltung.
Der sicherheitspolitische Experte Winfried Nachtwei (Die Grünen) nahm zum Abschluss die Anwesenden mit auf eine Reise durch die jüngere Geschichte von Krieg und Bürgerkrieg sowie die verschiedenen Reaktionen darauf. In aller Offenheit schilderte er dabei den Sinneswandel – zumindest Teile seiner Partei – in der Zeit des auseinanderfallenden Jugoslawiens vom Pazifismus zum Respektieren eines begrenzten Einsatzes militärischer Mittel: „In der Regierungsverantwortung stehend, haben wir lernen müssen, dass der Einsatz von Gewalt zum Schutz vor Massengewalt notwendig sein kann,“ brachte Nachtwei seine Lehre von Sarajewo auf den Punkt. Und dennoch sei die die Notwendigkeit von Krisenprävention und auf ziviler Konfliktbearbeitung sogar noch gestiegen.
Hinsichtlich Afghanistan gab der Referent zu, dass der Aufwand, der nötig ist, um ein Land wieder aufzubauen „grandios unterschätzt“ worden sei. Vielleicht schlimmer noch: Gewisse Erfolge in der Entwicklungszusammenarbeit würden durch terroristische Gruppen zunichtegemacht.
Die Weltlage bilanzierend, forderte Nachtwei eine Rückbesinnung auf die UN und ihre Normen, Krisen- und Konfliktprävention sowie nicht zuletzt die Begrenzung von Rüstungsexporten. Denn solche Exporte „gießen Öl ins Feuer“ und führen zu der Paradoxie, „dass deutsche Soldaten im Auslandseinsatz von deutschen Heckler-und-Koch-Gewehren bedroht werden“.
Mit vielen neuen Informationen, aber auch mit neuem Mut für die mühevolle Arbeit gegen Gier und Gleichgültigkeit fuhren die Teilnehmer am Sonntagmittag zurück. Theo Heeck vom Brasilienkreis in Marl sprach dankbar aus, was offenbar die meisten ganz ähnlich empfanden: „Hier habe ich ein Gefühl der Beheimatung erfahren dürfen, inmitten vieler Gleichgesinnter.“
Ulrich Jost-Blome
Vortragsmaterialien von der Jahrestagung 2017:
- Links zur Ausstellung: www.berghof-foundation.org/de/publikationen/publikation/peace-counts-poster-serie-deutsch-29-poster/
www.berghof-foundation.org/de/publikationen/publikation/peace-counts-poster-series-mena-deutsch-6-poster/ - Vortrag von Dr. Wolfgang Heinrich: Konflikte in Entwicklungsländern - Wie kann Frieden möglich werden?
- Vortrag von Weihbischof Dr. Stefan Zekon: Friede und Gewalt - Theologische Überlegungen für politische Handlungsfelder.
- Workshop von Prof. em. Dr. Heinz-Günter Stobbe: Religion und Gewalt – ein ambivalentes Verhältnis.
- Workshop von Christin Lüttich: Von der Revolution zum Bürgerkrieg: Syrien - Einblicke in ein zerrissenes Land.
- Bericht vom Pressedienst Bistum Münster.