Entwicklungspolitische Jahrestagung der AG Eine Welt Gruppen des Bistums Münster und der Ev. Kirche von Westfalen
13. - 15. Januar 2022 | Schwerte
Frieden und Klima: Das Thema der Entwicklungspolitischen Jahrestagung
Fast 100 Engagierte aus der Eine-Welt, Klima- und Friedensarbeit trafen sich vom 13. – 15. Januar 2023 in der Evangelischen Akademie Villigst zur Entwicklungspolitischen Jahrestagung „Ein Klima für den Frieden: Wie können Klimaschutz und Frieden gelingen?“ Veranstaltet wurde die Jahrestagung von der Ev. Akademie Villigst in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Eine-Welt-Gruppen im Bistum Münster und in der Evangelischen Kirche von Westfalen.
Für ungefähr zwei Drittel der Anwesenden war das Treffen ein großes, emotionales Wiedersehen, nach 2 Jahren pandemiebedingter Pause: „Endlich wieder neue Informationen bekommen und diskutieren, endlich wieder sich austauschen, endlich wieder netzwerken“, war zu hören. Gekommen waren die Aktiven wie in den 40 Jahren zuvor aus allen Gebieten der beiden veranstaltenden Kirchen, also beispielsweise aus dem Münsterland, dem Ruhrgebiet, dem Sauerland oder vom Niederrhein.
In ihrer Begrüßung summierte die Studienleiterin Thea Jacobs, dass nichts Geringeres als „die großen bewegenden Themen unserer Zeit“ diskutiert werden sollten. Sie warnte davor, angesichts des russischen Krieges in der Ukraine die anderen Kriege etwa im Jemen oder Äthiopien zu vergessen.
Am Freitagabend, 13.01., konfrontierte Dr. Kira Vinke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik die Eine-Welt-Engagierten in ihrem Eröffnungsvortrag mit der „Welt der multiplen Krisen“. Covid-Pandemie, Klimawandel oder der durch Putin vom Zaun gebrochene Krieg gegen die Ukraine waren einige der analysierten Krisen. Zum noch nicht gänzlich ausgeloteten Ursache-Wirkung-Verhältnis meinte die Referentin, dass es zwar einen Konsens über die Klimakrise als Auslöser für Konflikte gebe, aber nicht über die genaue Wirkung. Wohl könne man eindeutig feststellen, dass beispielsweise die Dürre in Syrien 2007 – 2020 zum dortigen Konflikt beigetragen habe. Wie auch immer: „Die Zeitenwende braucht die Energiewende“, so Dr. Vinke. Die hinlänglich bekannten potenziellen Kipp-Elemente stünden miteinander in Verbindung, eine „planetare Sicherheit“ gebe es erst bei einer Erderwärmung, die unter 1,5° gehalten werde. Umfassende Emissionssenkungen und Energiesicherheit durch erneuerbaren Energien seien unverzichtbare politische Notwendigkeiten. Dass Kriege zugleich Treiber von Umweltzerstörungen und damit des Klimawandels sind, machen nach Ansicht der Referentin schon allein die Zerstörung von landwirtschaftlichen Flächen und die Attacken auf Treibstoffreserven deutlich. Am Ende ihres Überblicks über die dramatische Situation appellierte Dr. Vinke: „Wir brauchen dringend einen gesellschaftlichen Kipp-Punkt!“
Wie schon in den vorhergehenden Jahren wurden am zweiten Tag, Samstag 14.01., verschiedene Aspekte des Tagungsthemas in Arbeitsgruppen vertieft.
In einer dieser Arbeitsgruppen stellte Dr. Wolfgang Heinrich, ehemals bei Friedensreferent bei Brot für die Welt, die Situation in Ostafrika und am Horn von Afrika dar. Nach einer intensiven landeskundlichen Präsentation der Staaten vom Sudan über Eritrea bis nach Kenia hob er Gemeinsamkeiten bei aller Unterschiedlichkeit heraus: willkürliche Grenzfestlegungen, lange Geschichte innerstaatlicher gewaltsamer Konfliktlösungen oder auch autokratische, scheindemokratische Herrschaftssysteme. Auch hier war für die Teilnehmer und Teilnehmerinnen wichtig zu hören, welche Rolle der Klimawandel bei alldem spielt. Dr. Heinrich: „Als Brandbeschleuniger verschärft er innergesellschaftliche und interstaatliche Konflikte.“ Perspektivisch hofft der Experte auf zivilgesellschaftliche Kräfte, denn diese seien jung, gut vernetzt und ideenreich.
In einem anderen Arbeitskreis erläuterte Sabine Dorlöchter-Sulser von Misereor, wie Hungersnöte Auslöser von Kriegen sein können, erst recht, wenn Aushungern gezielt als Mittel der Kriegsführung eingesetzt wird. Anhand zweier Lokalbeispielen erarbeiteten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen, dass genaue dieses in Äthiopien und im Jemen geschieht. Die abscheulichen Methoden sind vielfältig und reichen von Viehraub über Brandschatzungen bis zu militärischen Angriffen auf Lebensmittellieferungen. Die Spur für den Befehl führe bis in den Präsidentenpalast. Mit einem wenig bekannten Ergebnis: „In Äthiopien sind in einem bestimmten Zeitraum die meisten Menschen nicht in Kämpfen getötet worden, sondern verhungert“, so die Misereor-Expertin. Diese Praxis stehe im krassen Widerspruch zur Genfer Konvention, die das Aushungern von Zivilpersonen als Mittel der Kriegsführung verbietet.
Sonntag ist traditionell Gottesdiensttag; das gilt auch für die Jahrestagung. Eine Gruppe von Männern und Frauen, Älteren und Jungen, die sich erst tags zuvor gebildet hatte, sorgte durch den Gottesdienst am 15.01. im Erleben vieler für den emotionalen und spirituellen Höhepunkt der gesamten Jahrestagung.
In der anschließenden Integration der Ergebnisse und dem Ausloten von Handlungsansätzen stellte zunächst Christoph Bongard vom Forum Ziviler Friedensdienst einige Ideen zur Diskussion. Wichtig dabei war ihm: „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Klimakrise unter sicherheitspolitischen Aspekten bearbeitet wird, sondern nur unter der Logik des Friedens, also einem Prozess abnehmender Gewalt und zunehmender Gerechtigkeit.“
Unter der Moderation von Katja Breyer, Arbeitsgemeinschaft Eine-Welt-Gruppen, diskutierten anschließend Christoph Bongard, Peter Meiwald von Misereor und Caroline Kruckow von Brot für die Welt. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen erfuhren, dass laut SIPRI-Institut schon mit der Hälfte der weltweiten Militärausgaben alle Globalen Entwicklungsziele (SDGs) erreicht werden könnten. Doch auch in klimapolitischer Absicht zahle sich der friedenspolitische Einsatz für Abrüstung aus: Allein das US-Militär stoße so viele schädliche Klima-Gase aus wie das ganze Land Schweden. Das Panel sprach sich folgerichtig dafür aus, Umwelt- und Klimaprojekte enger mit Friedensprojekten zu verzahnen.
Da gleichzeitig die Räumung von Lützerath stattfand, erklärten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen in einer Videoaktion mit den Aktivisten dort solidarisch. Außerdem wurde eine friedensethische Resolution verabschiedet.
Zum Schluss lobten viele die großartigen Referenten und Referentinnen der Jahrestagung: „Ich nehme eine Menge Sachwissen mit“, so eine Teilnehmerin vom Niederrhein. Jemand anders meinte: „Ich fahre inspiriert und mit einem Motivationsschub nach Hause, da ich so viele nette Menschen kennenlernen konnte, die sich auch engagieren.
Und ganz im Sinne der Vorbereitungsgruppe bestätigte ein Eine-Welt-Aktiver aus dem Münsterland, er habe auf dieser Tagung gelernt, wie man Klimaschutz mit anderen Thema verbinden kann.
Uli Jost-Blome
Die nächste entwicklungspolitische Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Eine Welt Gruppen findet statt vom 12.-14. Januar 2024 im Franz Hitze Haus in Münster.
Materialien von der Jahrestagung, 13.-15.01.2023 in Haus Villigst, Schwerte
Vortrag „Klimawandel – Umweltzerstörung – Konflikte / Situation und Handlungsmöglichkeiten der Sicherheits- und Friedenspolitik“, Dr. Kira Vinke, DGAP
Theologischer Impuls von Ailed Villalba Aquino: Download PDF
Vortrag: Ein Klima für den Frieden: Was zu tun ist! Friedenspolitische Perspektiven auf den Umgang mit der Klimakrise, Input: Christoph Bongard, Forum Ziviler Friedensdienst (ZFD), Download PDF
Arbeitsgruppen:
- Ernährung sichern trotz Dürre und Krieg: Wie kann es gelingen? Sabine Dorlöchter-Sulser,Misereor: PPT
- Ostafrika und Horn von Afrika: Welche Chance hat der Frieden? Dr. Wolfgang Heinrich, Brot für die Welt: PPT
- Loss and Damage: Wer zahlt die Klimaschäden? Magdalena Mirwald, United Nations University - Institute for Environment and Human Security: PPT
- Die Rüstungsindustrie und die Folgen für das Klima Christine Schweitzer, Bund für Soziale Verteidigung: PPT
- Rohstoffe für erneuerbare Energien: Konflikt- oder Friedensrohstoffe? Blickpunkt Lateinamerika, Theresa Haschke, Christliche Initiative Romero: PPT
- Nur mit Frauen: Frieden und Klimagerechtigkeit – Beispiel Afghanistan, Anna Dirksmeier, Misereor: PPT
- „Energie & Frieden“ - ein Planspiel; Wolfgang Buff, Stiftung Friedensbildung; Download des Planspiels bei der Stiftung Friedensbildung
- Solidarische Ansätze stärken: Vom Fairen Handel bis Solawi, Jens Klein, Café Chavalo: PPT, Zusammenfassung, Flyer
Am Samstagabend wurde der Film „Displaced: Tomaten und Profitgier - Ghanas Bauern auf der Flucht“ gezeigt. Der Film kann hier gesehen werden.
Zudem wurde eine friedensethische Resolution verabschiedet, die im Namen der Teilnehmenden der Jahrestagung an kirchliche Entscheidungsträger versandt wird. Zur Resolution
Des Weiteren fanden Aktionen statt, bei denen sich die Teilnehmenden solidarisch mit den friedlich demonstrierenden Aktivistinnen und Aktivisten in Lützerath zeigt. Zum Video und Foto.